Parodontitis & Darmerkrankungen – Gibt es einen Zusammenhang?
PD Dr. Kristina Bertl, PhD MSc MBA
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) sind für die betroffenen PatientInnen sehr belastende und deren Lebensqualität sehr stark einschränkende Erkrankungen. In Europa sind ungefähr 1,3 Millionen betroffen und die Prävalenz ist in den nördlichen Ländern etwas höher als in den südlichen Ländern. Möchte man die Pathogenese von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in einem Satz zusammenfassen, würde dieser ungefähr wie folgt lauten: „Eine überproportionale Reaktion des Immunsystems auf eine bakterielle Belastung in einem empfänglichen Individuum.“
Wenn wir nun an die Pathogenese parodontaler Erkrankungen denken, würden wir diese sehr ähnlich beschreiben und daher ist es nicht überraschend, dass ein Zusammenhang zwischen diesen zwei Erkrankungen vermutet und wissenschaftlich untersucht wurde. Lange gab es für den europäischen Raum nur kleinere Studien mit maximal 200 TeilnehmerInnen, aber in diesem Jahr wurden die Daten einer Fragebogenstudie publiziert, die insgesamt fast 5.000 TeilnehmerInnen (ca. 1.100 PatientInnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und ca. 3.400 TeilnehmerInnen ohne chronisch-entzündliche Darmerkrankungen) inkludierte. Diese Fragebogenstudie hatte mehrere Ziele und die ersten zwei Fragestellungen lauteten wie folgt:
- Haben PatientInnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ein höheres Risiko für parodontale Erkrankungen und Zahnverlust? (Bertl et al. 2022)
- Beeinflussen parodontale Erkrankungen und Zahnverlust den Verlauf und Aktivitätsgrad von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen? (Madsen et al. 2022)
Die Ergebnisse waren sehr eindeutig und auch aus zahnärztlicher Sicht hochinteressant! PatientInnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen weisen im Vergleich zu Personen ohne chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ein 2- bis 3-fach höheres Risiko für einen als schlecht empfundenen Zahnstatus und für schwere Parodontitis auf; zusätzlich wiesen vor allem PatientInnen mit Morbus Crohn ein 2-fach höheres Risiko für eine höhere Zahnverlustrate auf! Und diese oralen Erkrankungen (Parodontitis und Zahnverlust) erhöhten bei PatientInnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen das Risiko, durch ihre chronisch-entzündliche Darmerkrankung mehr eingeschränkt zu sein und einen höheren Krankheitsaktivitätsgrad aufzuweisen!
Worauf sollten wir daher als ZahnärztInnen achten? Wir sollten PatientInnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen natürlich 1) darüber aufklären, wie wichtig ihre Mundgesundheit ist, und eventuell 2) diese PatientInnen auch häufiger kontrollieren und/oder eine zusätzliche Mundhygienesitzung empfehlen, um schwerwiegende Folgen wie Parodontitis und Zahnverlust erst gar nicht auftreten zu lassen!
Referenz
- Bertl, K., Burisch, J., Pandis, N., Bruckmann, C., Klinge, B., & Stavropoulos, A. (2022). Periodontitis prevalence in patients with ulcerative colitis and Crohn's disease - PPCC: A case–control study. Journal of Clinical Periodontology, 1–13. Madsen, G.R., Bertl, K., Pandis, N., Stavropoulos, A., Burisch, J. (2022) The Impact of Periodontitis on Inflammatory Bowel Disease Activity. Inflammatory Bowel Diseases, 2022, 1–9.
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