Klassifikation – Gingivitis
Prof. Dr. Peter Hahner
Im Juni 2018 wurde im Rahmen der EuroPerio 9 in Amsterdam die lange erwartete neue Klassifikation der parodontalen und peri-implantären Erkrankungen der zahnmedizinischen Öffentlichkeit vorgestellt.
Ziel der neuen Klassifikation ist die Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse besonders zur Ätiologie und Pathogenese der parodontalen Erkrankungen, die seit dem International Workshop for a Classification of Periodontal Diseases and Conditions 1999 (Armitage, 1999) hinzugekommen sind, und die erstmalige Einbeziehung peri-implantärer Erkrankungen. Neben einzelnen Präzisierungen und notwendigen Anpassungen der Terminologie, z.B. an die diagnostischen Codes der ICD (= International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) erscheinen folgende Veränderungen auch für die tägliche Arbeit in der parodontalen Prävention, aktiven nicht-chirurgischen Therapie und Erhaltungsphase für bedeutsam:
Einführung des Begriffs der „klinischen parodontalen Gesundheit“ - während bisher Gesundheit im Bereich der Parodontologie mehr oder weniger als Abwesenheit einer Erkrankung zu verstehen war, gibt es nun eine präzise Beschreibung eines gesunden parodontalen Zustandes, sowohl für Patienten, die bisher noch nicht von parodontalen Erkrankungen betroffen waren als auch von Patienten nach einer erfolgreichen Parodontitistherapie.
Die Definition der Gingivitis als unspezifischer entzündlicher Läsion, die sich nur im Bereich der Gingiva manifestiert und Wurzelzement, parodontales Ligament und den Alveolarknochen ausspart, wird ebenso neu eingeteilt als Erkrankung bei Patienten mit noch intaktem Parodontium als auch für erfolgreich therapierte Parodontitispatienten.
Die bisherige Unterscheidung der Parodontitiden in eine chronische und eine aggressive Erkrankung entfällt, da sich in den letzten Jahren gezeigt hat, dass die Unterschiede z.B. wie die Annahme eines unterschiedlichen Erregerspektrums immer weniger wirklich trennscharf zu fassen sind. An die Stelle dieser Einteilung tritt eine Klassifizierung anhand des Schweregrades (Staging, Stadien I bis IV) und der zu erwartenden Krankheitsprogression (Grade A bis C). Anhand dieser Differenzierung sind konkrete Rückschlüsse auf die notwendigen therapeutischen Interventionen, den Schwierigkeitsgrad der Therapie und auf mögliche Komplikationen zu ziehen.
Die peri-implantären Erkrankungen und Zustände werden erstmals im Rahmen dieser Klassifikation berücksichtigt.
Wenn die Beschäftigung mit einem Klassifikationssystem auch auf den ersten Blick als sehr trockene Materie erscheint, die vielleicht eher für epidemiologische Studien von Bedeutung ist, zeigen sich bei näherem Hinsehen in der neuen Klassifikation nützliche Anwendungen für den klinischen Alltag. Eine Klassifikation ist letztlich die Matrix, mit deren Hilfe die gesammelten Informationen aus der Anamnese und den erhobenen klinischen und röntgenologischen Befunden zu einer möglichst passgenauen und individuellen Diagnose vereinigt werden können. Diese individualisierte Diagnose ist wiederum Voraussetzung für die immer mehr geforderte personalisierte Therapie jedes Patienten.
Nach dieser Einführung sollen die einzelnen Neuerungen in den nächsten Wochen nach und nach ausführlicher beleuchtet werden.
Referenz
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