Individualisierte Prävention – fallorientierte Bedarfsadaptation
Nach dem gleichnamigen Artikel von Gerhard Schmalz und Dirk Ziebolz, erschienen in ZWR 2020; 129(01/02): 33-41
Eine auf den Patientenfall abgestimmte Prävention scheint der nächste logische Schritt um der Komplexität oraler Erkrankungen für die Zukunft zu begegnen. Während bestehende Strategien, beispielsweise die Versorgung von Patienten mit Parodontitis durch die unterstützende Parodontitistherapie (UPT), eine Stabilisierung des Therapieergebnisses einer einzelnen Erkrankung ermöglichen, fehlt deren Einbindung in ein fall- und bedarfsorientiertes Präventionskonzept.
Zur Ermittlung des individuellen Bedarfs erfolgt die Betrachtung dreier Bedarfsfaktoren: vorliegende orale Erkrankungen, bestehende Versorgungen (Füllungen, Prothesen, KFO-Versorgungen) sowie aktuell ermittelte zahnmedizinische Befunde (Abb. 1).
Diese Faktoren werden gemäß ihres Progressions- und Entstehungsrisikos bewertet.
Wobei das Progressionsrisiko eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Voranschreitens einer bestehenden oralen Erkrankung beschreibt, und das Entstehungsrisiko Auskunft über das Potenzial für das Neuauftreten einer oralen Erkrankung gibt. Auf dieser Grundlage erfolgt in der beschriebenen Klassifikation die Einteilung in drei mögliche Bedarfsklassen, die ein entsprechend geringes (grün), moderates (gelb) oder hohes (rot) Progressions- und/oder Entstehungsrisiko definieren (Tab. 1).
Da die Beurteilung im Einzelfall komplex ist benötigt die fallorientierte, bedarfsadaptierte Prävention die genaue Analyse der genannten Parameter. Hierbei sind eine ausführliche, stets aktuelle, spezielle Anamnese und die orale Diagnostik im Rahmen der Präventionssitzung essenziell. Ergänzt wird die Bedarfsbewertung durch weitere aktuelle Befunde, insbesondere Mundhygieneindizes. Aus dieser Synthese kann ein individuelles Bedarfsprofil erstellt werden, welches Aufbau und Frequenz der Präventionssitzung determiniert (Abb. 2).
Hierbei strebt der Ansatz der individualisierten, bedarfsorientierten Prävention die komplexe Betrachtung des Gesamtbedarfs an. Der vorgestellte Beitrag liefert hierzu eine ausführliche Auseinandersetzung mit exemplarischen Bedarfsfaktoren unter der Berücksichtigung ihrer praktischen Konsequenz für die zahnärztliche Prävention.
Tabelle 1: Definition der drei Klassen innerhalb des Bedarfsprofils basierend auf den Entstehungs- und Progressionsrisikos.
Bedarfsprofil | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Klasse | Entstehungsrisiko | Progressionsrisiko | ||||
gering | Kein erhöhtes Risiko für die Neuentstehung einer oralen Erkrankung | Kein erhöhtes Risiko für das Voranschreiten einer bereits vorliegenden oralen Erkrankung | ||||
moderat | Nichtbeachtung des Bedarfsfaktors kann zur Neuentstehung oraler Erkrankungen führen | Nichtbeachtung des Bedarfsfaktors kann zum Voranschreiten einer bereits bestehenden oralen Erkrankung führen | ||||
hoch | Nichtbeachtung des Bedarfsfaktors führt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zur Neuentstehung einer oralen Erkrankung | Nichtbeachtung des Bedarfsfaktors führt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Voranschreiten einer bereits bestehenden oralen Erkrankung |
Abbildung 1: Aufschlüsselung von Bedarfsfaktoren, welche in der Summe zu einem Bedarfsprofil führen. Dieses nimmt Einfluss auf den Aufbau und den Inhalt der Präventionssitzung. Hierbei wohnt jedem Bedarfsfaktor sowohl ein potenzielles Entstehungs- als auch Progressionsrisiko inne.
Abbildung 2: Mundgesundheitserfahrung, Versorgungszustand und aktuelle Befunde determinieren die bedarfsorientierte Prävention. Für die einzelnen Teilbereiche sind in der Abbildung die wesentlichsten Beispiele zusammengefasst.
Kommentare