An die Pulver, fertig, los – Neues Trio für die Prophylaxe
von Christin Bunn
Prophylaxe Journal 5 (2019)
Unter dem Motto „Proxeo – Prophy for Professionals“ präsentiert W&H sein erweitertes Portfolio für die maschinelle Belagentfernung. Proxeo unterstützt den kompletten präventiven Workflow auf Basis wissenschaftlicher Empfehlungen für jeden Patienten und jede Indikation. Im folgenden Beitrag werden die drei neuen Prophylaxepulver vorgestellt.
Seit der diesjährigen Internationalen Dental-Schau gehört der Pulverstrahler Proxeo Aura zum W&H-Prophylaxesortiment (Abb. 1). Der alle Produktgruppen von W&H kennzeichnende Systemgedanke ist auch gegeben, sodass Pulver, Handstück und Sprayaufsätze ideal aufeinander abgestimmt sind sowie für eine gründliche sowie schonende Reinigung sorgen – supra- und subgingival.
Ganzheitliche Systeme
Oftmals stellt sich in Prophylaxeteams mit Blick auf Geräte und Zubehör die Frage, ob jedes Handstück mit jedem am Markt erhältlichen Pulver kompatibel ist und folglich nach Belieben verwendet werden kann. Hier lautet die Antwort ganz klar nein, denn das Pulverstrahlhandstück Proxeo Aura und die dazugehörigen Pulver wurden als ein aufeinander abgestimmtes System entwickelt, um bestmögliche Ergebnisse zu erreichen sowie maximale Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Erhöhte Abrasivität, Verstopfung und verminderte Effizienz sind nur einige exemplarische Auswirkungen, die ein falsches „Match“ von Gerät und Pulver nach sich ziehen kann.
Bedienbarkeit und Komfort
Vor einer Anwendung sollte immer anhand des klinischen Befunds entschieden werden, welche Pulver in welcher Reihenfolge zum Einsatz kommen und welche Indikationen abgedeckt werden sollen (Abb. 2). Die Erfahrung zeigt: Je einfacher und zuverlässiger sich ein Gerät in seiner Anwendung gestaltet, desto häufiger wird es schlussendlich in der Praxis benutzt. Eine Besonderheit des Proxeo Aura Handstücks besteht darin, dass sich innerhalb von Sekunden der Arbeitsdruck für supra- oder subgingivales Arbeiten mittels Einstellring verändern lässt und somit alle Indikationen komfortabel bedient werden können. Die transparente Pulverkammer mit seitlicher Öffnung ermöglicht bequemes Nachfüllen und eine einfache Kontrolle der Pulvermenge.
Dem Air Polishing auf den Zahn gefühlt
Als Air Polishing wird der Prozess des Reinigens und Polierens von Gebiss und Zahnersatz unter Verwendung eines Geräts bezeichnet, welches Luft- und Wasserdruck mit einem abrasiven Stoff vermischt.1 Für die Wirkung des Air Polishings2 ist neben dem verwendeten Gerät1 vor allem das Abrasionspotenzial des Pulvers verantwortlich.1,2 Dieses wird bestimmt durch:
- Härtegrad, Korngröße und Form der Pulverpartikel
- Kontaktzeit des Pulversprays mit der Zahnoberfläche
- Druck des Sprays
- Konzentration und Menge des Pulvers
- Aufprallwinkel
- Art des Pulvers1,2
Richtige Technik für eine erfolgreiche Behandlung
Neben der Auswahl des richtigen Pulvers ist die korrekte Technik entscheidend für langfristig gesunde glückliche Patienten und eine minimale Aerosolbelastung im Raum. Handhaltung, Dauer und Tipps für das Air Polishing sind nachfolgend beleuchtet. Der optimale Aufprallwinkel des Spraystrahls zur Zahnoberfläche richtet sich nach dem eingesetzten Pulver und danach, ob die Behandlung supra- oder subgingival erfolgt. Ein Aufprallwinkel von 90 Grad sollte nur bei der Tiefenreinigung der Kauflächen vor einer Fissurenversiegelung umgesetzt werden.3 Bei Verwendung von Natriumbicarbonatpulvern darf der Spraystrahl niemals im rechten Winkel auf die Zahnoberfläche auftreffen und soll vom Gingivarand weggerichtet sein.2 Bei Verwendung von Glycinpulver kann bei Vorhandensein von flachen Taschen (bis etwa 3 mm) der Pulver-Wasser-Spraystrahl direkt in den Sulkus gerichtet werden2, z. B. unter Verwendung eigener Sprayaufsätze. In jedem Fall muss bei der Anwendung der Pulver die Gebrauchsanweisung des entsprechenden Herstellers beachtet werden.
Die Öffnung des Sprayaufsatzes sollte etwa 3–4 mm von der Zahnoberfläche entfernt sein.2-4 Im Allgemeinen wird der Spraystrahl in pinselnden oder kreisenden Bewegungen vom Zahnhals zur Kaufläche – also von Rot nach Weiß – geführt. Angaben aus der Literatur und Studien für eine adäquate Behandlungsdauer einer Zahnoberfläche reichen von maximal zwei3 bis maximal fünf Sekunden.4-6 Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Absaugtechnik so eingerichtet ist, dass ein Maximum des Spray-Aerosols abgesogen wird. Behandler und Patient sollten Augen und Gesichtsschutz tragen.3
Pulverarten – Auf den Geschmack kommen
Während die ersten Air Polishing Pulver sehr aggressiv waren, hat die Entwicklung einer Vielzahl an schonenden Pulvern das Air Polishing zu einer sicheren Alternative im Poliergeschehen gemacht. Nicht für jede Anwendung eignet sich jedoch jedes Pulver. Darüber hinaus unterscheidet man zwischen wasserlöslich und wenig bzw. nicht wasserlöslich. Als Basissubstanzen gängiger Air Polishing Pulver sind folgende Stoffe mitsamt ihren Anwendungsbereichen bekannt:
Abb. 3: Das Prophylaxis Powder SOFT basiert auf Natriumbicarbonat und hat eine durchschnittliche Partikelgröße von 40 μm. – Abb. 4: Das Prophylaxis Powder SMOOTH, basierend auf Calciumcarbonat, hat eine Partikelgröße zwischen 45 und 75 μm, neutralen Geschmack und ist frei von Natrium und Silizium (Si). – Abb. 5: Prophylaxis Powder SENSITIVE, basierend auf Glycin und mit einer durchschnittlichen Partikelgröße von 25 μm, ist in süßlichem Geschmack verfügbar und wasserlöslich. (Nur erhältlich im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz.)
Natriumbicarbonat (Pulver SOFT, Abb. 3)
Das erste Pulver, das für das Air Polishing verwendet wurde und welches aufgrund des hohen Abtrags nur supragingival angewandt werden darf, ist Natriumbicarbonat (NaHCO3).2 Die Partikelgröße beträgt zwischen 402 und maximal 250 μm.2,7,8 Natriumbicarbonat wird z. B. zur Entfernung hartnäckiger Ablagerungen und Verfärbungen (wie Raucherbeläge)2,4, Reinigung von Kavitätenrändern vor dem Ätzen und bei der Vorbereitung der Zahnoberflächen zum Bleaching eingesetzt.9 Die einzelnen Kristalle des wasserlöslichen Pulvers haben eine kantige unregelmäßige Form, und eine Politur sollte nicht öfter als zweimal jährlich erfolgen. Aufgrund der verbleibenden rauen Oberfläche sind nachfolgend weitere Politurmaßnahmen erforderlich2, etwa mittels rotierendem Polieren.
Calciumcarbonat (Pulver SMOOTH, Abb. 4)
Calciumcarbonat (CaCO3) ist ein weiteres wenig wasserlösliches Pulver.2 Die spherisch angeordneten Kristalle mit Korngrößen zwischen 45 und 100 μm bilden abgerundete Partikel, welche einen „Rolleffekt“ und somit weniger Schmelzschäden auch bei ungünstigem Strahlwinkel sowie eine geringere Aerosolbelastung bewirken.2 Indikationen für die Verwendung eines Calciumcarbonatpulvers sind die Reinigung restaurativer Materialien und Füllungen. Es ist zudem der ideale Helfer bei der Zahnreinigung mit glänzendem Finish, reinigt schonend Brackets sowie Fissuren und ermöglicht auch Patienten auf salzfreier Diät eine bestmögliche Behandlung.
Glycin (Pulver SENSITIVE, Abb. 5)
Zu den wenig abrasiven, wasserlöslichen Pulvern zählt jenes auf Basis von Glycin (C2H5NO2).2 Glycin ist eine natürlich auftretende Aminosäure, welche Partikelgrößen von maximal 63 μm hat.4 Diese Pulver haben eine äußerst geringe Abrasivität und eignet sich supragingival bei leichten bis mittleren Verfärbungen, zur Zahnpolitur sowie auch subgingival und im periimplantären Bereich.2 Glycin kann auf Dentin, Wurzelzement, in parodontalen Taschen, in der Parodontitistherapie, bei Periimplantitis und auf Implantatoberflächen angewandt werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Air Polishing mit Glycin und Erythritol vergleichbar schonend gegenüber Weichgeweben ist.10,11
Prophylaxe bei Implantatpatienten
Ein besonderer Stellenwert kommt dem glycinbasierten Pulver bei der Implantatpflege zu. Biofilm lässt sich dank des SENSITIVE Pulvers ideal und mit hohem Wirkungsgrad von den Titanoberflächen entfernen, ohne diese dabei zu schädigen. Blicken wir außerdem auf die Behandlung von Periimplantitis. Hier kann das Pulver bei einem chirurgischen Eingriff unterstützen und aufgrund seiner Resorbierbarkeit gefahrlos im OP-Gebiet eingesetzt werden. So lässt sich die Implantatoberfläche intraoperativ schnell und effektiv von pathogenen Biofilmen befreien. In Kombination mit fotoaktivierter Desinfektion und anschließender Augmentation stellt dies ein Erfolg versprechendes Vorgehen dar, da eine sichere Dekontamination der Oberflächen ermöglicht wird.
Gute Patientenakzeptanz des Air Polishings
Zahlreiche Studien belegen, dass Air Polishing auf hohe Akzeptanz bei Patienten stößt.5,12-15 Bleeding on Probing kann reduziert werden16, zudem konnten Verringerungen von Taschentiefen nach Glycin Air Polishing nachgewiesen werden.17 Niedrigabrasive Pulver beeinträchtigen die Wurzeloberfläche und Gingiva nachgewiesenermaßen nicht.18
Fazit
Mit System lässt es sich immer am besten arbeiten – so auch in der Prophylaxe. Das Proxeo-Sortiment ist Teil des ganzheitlichen W&H Prophylaxe- und Parodontologie-Produktportfolios, das bei gegebenem individuellem Patientenprofil angewandt wird. Gezieltes Arbeiten im supra- und subgingivalen Bereich mit den zahnsubstanzschonenden Pulvern ist für alle Indikationen und eine breite Patientenzielgruppe komfortabel möglich.
Mögliche Kontraindikationen
Pulverstrahlgeräte sollten bei Erkrankungen des Respirationstraktes sowie einigen Nieren- und Stoffwechselerkrankungen nur nach Rücksprache mit dem Arzt angewandt werden. Auch bei der Einnahme bestimmter Medikamente oder Allergien auf Pulverbestandteile8 sind die Gebrauchsanweisungen der jeweiligen Pulver und Geräte zu beachten. Sind Kontraindikationen für Air Polishing gegeben, sollte auf rotierendes Polieren mit der entsprechenden Pastenauswahl umgestiegen werden.
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