Ohne sachgemäße Vordesinfektion und Reinigung keine erfolgreiche Sterilisation
Die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten ist eine komplexe und herausfordernde Aufgabe, die die Einhaltung strenger Vorgaben sowie regelmäßige Optimierungen erfordert, um den neuesten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritten gerecht zu werden.
Interessanterweise heißt es in § 3.35 der europäischen Norm EN 13060 für Dampf-Klein-Sterilisatoren: „In einem Sterilisationsprozess wird die Art der mikrobiellen Inaktivierung durch eine Exponentialfunktion beschrieben. Folglich kann das Überleben eines Mikroorganismus auf irgendeinem Einzelgegenstand als Wahrscheinlichkeit ausgedrückt werden. Obgleich diese Wahrscheinlichkeit auf einen sehr kleinen Zahlenwert verringert werden kann, kann sie niemals auf null reduziert werden.“
Eine entscheidende, aber oftmals unterschätzte Voraussetzung für eine erfolgreiche Sterilisation von Instrumenten ist der Vordesinfektions- und Vorreinigungsprozess. Dieser trägt maßgeblich dazu bei, die anfängliche Keimbelastung auf ein Minimum zu reduzieren und schafft so die Voraussetzung für eine zuverlässige Sterilisation.
Im letzten Jahrzehnt haben meine Beobachtungen bei der Unterweisung zahlreicher dentaler Fachassistent:innen in Bezug auf die Wiederaufbereitungstechniken gezeigt, dass viele Kliniken Schwierigkeiten haben, zentrale Phasen des Prozesses, insbesondere die Durchführung von Vordesinfektion und Vorreinigung effizient durchzuführen. Dieser Mangel an Effizienz resultiert häufig aus einem unzureichenden Bewusstsein für die Bedeutung dieser ersten Schritte sowohl bei Zahnärzt:innen als auch beim Praxispersonal. Obwohl moderne Sterilisationstechnologien, wie etwa medizinische Typ B-Zyklen für eine erfolgreiche Sterilisation von Instrumenten unabdingbar sind, können Defizite in den vorbereitenden Schritten schwerwiegende Konsequenzen für die Sicherheit von Patient:innen und Personal haben, indem sie das Risiko von Kreuzinfektionen erhöhen.
Dieser Artikel soll auf häufige Fehler im Wiederaufbereitungsworkflow hinweisen, wobei der Schwerpunkt auf der Vordesinfektion und Vorreinigung liegt. Darüber hinaus werden praxisnahe Lösungen vorgestellt, um „Best Practice“-Standards zu erreichen, die mit krankenhausspezifischen Protokollen vergleichbar sind. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass der Begriff „Dekontamination“ in der Praxis oft unpräzise verwendet wird, was zu Missverständnissen führen kann.
(ISO/DIS 11139:2018 / 3.27 Entfernung und/oder Verringerung biologischer Kontaminationen auf ein akzeptables Niveau).
Laut der internationalen Norm ISO 11139 bezeichnet der Begriff „Dekontamination“ die Entfernung und/oder Verringerung biologischer Kontaminationen auf ein akzeptables Niveau. In der Praxis dagegen wird der Begriff fälschlicherweise häufig als Synonym für die Vorreinigung, Reinigung oder sogar den gesamten Wiederaufbereitungsworkflow verwendet. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte jeder Schritt im Wiederaufbereitungsworkflow klar definiert und benannt werden:
Vorreinigung, Reinigung, Desinfektion, Pflege, Verpackung, Sterilisation und Lagerung.
Jeder dieser Schritte spielt eine wichtige Rolle bei der Reduktion mikrobieller Kontamination.
Der Begriff „Dekontamination“ sollte daher nicht als Sammelbegriff für all diese Prozesse genutzt werden. Eine eindeutige Terminologie trägt zum besseren Verständnis bei, gewährleistet die korrekte Umsetzung und erleichtert die lückenlose Dokumentation der Prozesse.
Wann ist eine Vordesinfektion erforderlich?
Alle benutzten und nicht benutzten Instrumente müssen unmittelbar nach der Behandlung eingetaucht werden. Bei längerer Behandlungsdauer sollte dies kontinuierlich während der Behandlung erfolgen (beispielsweise bei rotierenden Instrumenten und Feilen). So lässt sich verhindern, dass Blut, Speichel und sonstige Verschmutzungen antrocknen, was die Wirksamkeit der nachfolgenden Reinigungsphase beeinträchtigen würde. In diesem Sinne wird in vielen Richtlinien betont, dass sich die Tauchbäder im Behandlungsraum befinden müssen.
Hinweis: Dieser Artikel bezieht sich nicht auf Handstücke. Obwohl für ihre Wiederaufbereitung die gleichen Schritte wie für andere Instrumente gelten, gibt es aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften und ihres speziellen Designs zusätzliche Anforderungen. Beispielsweise können sie nicht eingetaucht und im Ultraschallbad gereinigt werden.
Welche Art von Desinfektionsmittel ist geeignet?
Desinfektion ist definiert als „ein Verfahren zur Inaktivierung von lebensfähigen Mikroorganismen auf ein zuvor als angemessen spezifiziertes Niveau, das für einen definierten Zweck geeignet ist“ (ISO/DIS 11139:2018-3.84). Diese Formulierung hilft Zahnärzt;innen oder dentalen Fachassistent:innen bei der Suche nach einer geeigneten Desinfektionslösung jedoch nicht weiter. Ziel dieser ersten Phase der Aufbereitung ist es, ein mittleres Desinfektionsniveau zu erreichen. Das zu erwartende breite Erregerspektrum ist in Abbildung 1 dargestellt.

Im Datenblatt von Desinfektionsmitteln werden oftmals unterschiedliche Verhältnisse von Verdünnung und/oder Einwirkzeit gestaffelt nach Widerstandsfähigkeit der Mikroorganismen angegeben, was den Anwender jedoch verwirren kann und dem Erreichen des erforderlichen Desinfektionsgrads womöglich sogar im Weg steht. Um dies zu vermeiden, ist stets von der höchsten Konzentration und der längsten Einweich-/ Einwirkzeit auszugehen.
Hinweis: Ein Desinfektionsmittel darf sich nur dann „voll viruzid“ nennen, wenn es sowohl behüllte als auch unbehüllte Viren inaktiviert, da diese eine unterschiedliche Widerstandsfähigkeit aufweisen, wie in Bild 1 veranschaulicht. Im Idealfall muss das Desinfektionsmittel bei niedrigster Verdünnung und kürzester Einwirkzeit ein breites Wirkspektrum aufweisen, und zwar ohne Kompromisse(!). Sinnvoll ist eine 2%ige Verdünnung mit einer Einwirkzeit von 15 Minuten.
Hinweis: Beim Kauf eines Desinfektionsmittels geht es oft um den Preis, selbstverständlich ohne Kompromisse bei der erwarteten Wirkung! Dabei muss allerdings der Preis pro Liter fertiger Lösung berücksichtigt werden. Eine 2%ige statt einer 4%igen Desinfektionslösung ist um 50 % günstiger, selbst wenn die 4%ige Lösung auf den ersten Blick etwas teurer erscheinen mag. Letztlich sprechen wir von weniger als 1 € Preisunterschied pro Liter, was angesichts der unbezahlbaren Sicherheit und Gesundheit des Personals wirklich nicht erwähnenswert ist.
Wie stellt man eine 2%ige Lösung eines Desinfektionsmittels her?
Dies erscheint auf den ersten Blick offensichtlich, aber viele Anwender berechnen die Menge an Konzentrat und/oder Wasser zum Mischen falsch. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass die Konzentration in der Regel als Prozentsatz ausgedrückt wird. Beispielsweise 2 % was 2 ml Konzentrat pro 100 ml Desinfektionslösung entspricht. Um es zu vereinfachen, multiplizieren Sie die Menge mit 10. Das ergibt für 1 Liter (1000 ml) 20 ml Konzentrat. Für ein 3-Liter-Tauchbad werden daher 60 ml (3 × 20 ml) Konzentrat benötigt, das mit 2940 ml Wasser (nicht 3000 ml!) aufgefüllt wird.
Wie oft sollte die Desinfektionslösung ausgetauscht werden?
Mindestens einmal täglich. Jeden Morgen muss eine frische Desinfektionslösung hergestellt werden, nachdem das Tauchbad gereinigt wurde. Darüber hinaus muss die Lösung immer dann ausgetauscht werden, sobald sichtbare biologische Rückstände am Boden des Bads zu sehen sind.
Angesichts der Bedeutung dieses Schritts muss die Lösung den gesamten Tag über sauber und wirksam bleiben.
Gibt es weitere typische Fehler, die es zu vermeiden gilt?
Neben der Wahl des falschen Produkts und der falschen Herstellung (Verdünnung) der Lösung gibt es zahlreiche weitere Fehler, die die Wirkung der Desinfektion beeinträchtigen und das Personal gefährden können.
- Die Wassertemperatur der frisch hergestellten Lösung darf 40 bis 45 °C nicht überschreiten, damit Blutproteine auf den aufzubereitenden Instrumenten nicht koagulieren. In kaltem Wasser von unter 15 °C verfestigen sich Lipide. Lauwarm bzw. Zimmertemperatur ist ideal!
- Instrumente dürfen vor dem Einweichen nicht abgespült, sondern müssen direkt ins Tauchbad eingetaucht werden. Denn erstens ist es zu riskant, direkt nach der Behandlung mit vollständig kontaminierten Instrumenten zu hantieren, und zweitens ist die Reinigungslösung hydrophob, was bedeutet, dass sie Wasser abweist, aber fett- bzw. verunreinigungsaffin ist.
- Längeres Einweichen über Nacht oder übers Wochenende ist zu vermeiden. Werden Instrumente den Chemikalien und dem Chlor im Leitungswasser ausgesetzt, kann dies zu irreversiblen Schäden und Verfärbungen führen. In Ausnahmefällen, wenn der Prozess nicht vollständig ausgeführt werden kann, müssen die Instrumente vorab desinfiziert und dann idealerweise in demineralisiertes Wasser eingetaucht werden. Im weiteren Prozess müssen die Instrumente abtropfen (ohne diese beim Trocknen zu berühren) und erneut desinfiziert werden.
Was folgt als nächster Schritt?
Nach der Desinfektion müssen die Instrumente gründlich mit (hartem) Leitungswasser gespült werden, um chemische Rückstände zu entfernen, insbesondere Hohlteile und bewegliche Teile.
Ohne gründliches Spülen können Chemikalienrückstände zu irreversiblen Verfärbungen und Schäden an den Instrumenten führen.
Und … die Reinigung?
Der Reinigungsschritt vor der Desinfektion und Sterilisation ist unerlässlicher. Eine ordnungsgemäße Reinigung ist die Grundlage des gesamten Wiederaufbereitungszyklus und grundlegend für eine sichere Sterilisation. Daher heißt es in den meisten Richtlinien, dass „nur saubere Instrumente sterilisiert werden können“.


Die Instrumente müssen vor der Sterilisation frei von sichtbaren organischen Rückständen, mineralischen Ablagerungen, Verschmutzungen und Flecken sein, da diese eine Dampfbarriere bilden. Eine gründliche Reinigung trägt zusätzlich dazu bei, die mikrobielle Kontamination signifikant zu reduzieren und den Prozess näher an das Ziel einer nahezu vollständigen Keimfreiheit zu bringen. Wie der Sinnersche Kreis zeigt, kommen bei der Reinigung vier Faktoren zum Tragen: Temperatur, Zeit sowie chemische und mechanische Wirkung. Wird der Anteil eines Faktors reduziert, muss dieser „Verlust“ durch die Erhöhung von einem oder mehrerer der anderen Faktoren kompensiert werden.

Konzentrieren wir uns auf den Faktor der mechanischen Wirkung, der eine wesentliche Rolle spielt. Die mechanische Wirkung erzeugt Reibung und Druck, also die Kraft, die zum Entfernen von Verunreinigungen und gleichzeitig zur Kontaktherstellung zwischen Reinigungslösung und Instrumenten erforderlich ist. Kommen dafür keine Geräte zum Einsatz, ist das Bedienpersonal, das die manuelle Reinigung durchführt, Aerosolen und einem hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt.
Eine manuelle Reinigung gilt als die am wenigsten wirksame Methode und wird daher in vielen Richtlinien als veraltet eingestuft. Darüber hinaus ist es eine Herausforderung, die Wirksamkeit und Reproduzierbarkeit dieser Methode nachzuweisen und zu dokumentieren.
Die moderne Technik hingegen hat automatisierte Geräte hervorgebracht, die garantierte Ergebnisse liefern. Ein gemäß EN ISO 15883-1/5 validierter Reinigungsprozess nimmt Ärzt:innen einen Teil ihrer Verantwortung ab. Das Bedienpersonal muss dazu nur den „Zyklusbutton“ drücken. Das Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) führt eine abschließende Spülphase mit 93 °C durch, sodass die Keimzahl der Beladung durch thermische Desinfektion noch weiter verringert wird. Anwender:innen glauben oft, dass diese Desinfektion nach der Reinigung die anfängliche Desinfektion ersetzt. Nein! Der Einsatz eines RDG entbindet Anwender:innen nicht von der vorhergehenden Desinfektion.
Nicht zuletzt sorgt ein RDG für die vollständige Trocknung der Instrumente von innen und von außen, sodass sie verpackt und nach Typ B sterilisiert werden können.
Fazit
In diesem Artikel wurde auf zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten hingewiesen, die Leser:innen helfen sollen, Verbesserungen in der Praxis umzusetzen: sei es bei der Auswahl des passenden Desinfektionsmittels mit breitem Wirkspektrum, einschließlich voll viruzider und mykobakterizider Wirkung oder bei der korrekten Verdünnung zur Herstellung eines Tauchbads. Neben der Vermeidung einiger weiterer Fehlerquellen trägt insbesondere die anfängliche Desinfektionsphase zur Effizienz des Wiederaufbereitungsprozesses insgesamt bei. Erfolgt im Anschluss ein automatisierter und validierter Reinigungsprozess, lässt sich dieses Niveau noch weiter steigern und ein „Best Practice“-Standard erreichen.
Über den Autor
Christian Stempf
Biografie
Christian Stempf kommt aus der europäischen Dentalindustrie. Er beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Infektionsprävention, wobei sein Schwerpunkt auf der Wiederaufbereitung wiederverwendbarer Medizinprodukte und insbesondere auf der Sterilisation sowie der Gestaltung von Aufbereitungsbereichen liegt. Im Rahmen seiner Arbeit und seiner weltweiten Kontakte zu medizinischem Fachpersonal und Fachleuten für Infektionsprävention hat er wertvolles praktisches Wissen und Know-how erworben. Er ist Mitglied des Europäischen Komitees für Normung (CEN-TC102) und an zwei Arbeitsgruppen beteiligt, die sich mit Dampfsterilisatoren sowie Reinigungs- und Desinfektionsgeräten befassen. Darüber hinaus hat er an der Entwicklung eines High-End-Sterilisators vom Typ B mitgewirkt. Er bietet herstellerunabhängige Vorträge für medizinisches Fachpersonal sowie ausführliche Schulungen für dentale Fachassistenten weltweit an.
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